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Lektion 36: Tyrannenglück

Dionysius hatte bereits als Jüngling Herr von Syracus sein wollen. Nachdem schließlich höchste Amtsgewalt erworben worden war, erwies er sich als derartiger Tyrann, dass die Bürger nichts gegen seinen Willen zu tun oder zu sagen wagten. Er meinte, dass ihm selbst aber alles erlaubt wäre. Überdies führte er ein Leben in verschwenderischer Pracht und hatte Reichtümer im Überfluss: Ihm gehörten goldene (Speise-)Liegen, Gefäße aus Silber, schöne Gemälde, großartige Statuen. Und daher war sein Leben allen (Menschen) Gegenstand von Neid, viele bezeichneten ihn als glücklich. Obwohl seine Macht in Blüte stand, hatte Dionysius wegen der Bewachung dennoch immer Sklaven um sich. Er selbst verspürte nämlich schmerzlich, wie reich er war. Als Damocles, einer von den Gefährten, in einer Äußerung dessen Reichtum, Macht, die Pracht des königlichen Hauses erwähnte und dessen Leben als glücklich lobte, sagte er: „Also willst du, oh Damocles, selbst dieses Leben kennenlernen und mein Glück prüfen?“ Unverzüglich sagte Damocles, dass er selbst dies wolle. Deshalb befahl Dionysius, ihn auf ein goldenes Bett zu legen. Nachdem der Tisch mit den erlesensten Speisen beladen worden war und nachdem wohlriechende Stoffe verbrannt worden waren, standen Knaben von erlesener Schönheit am Tisch und bedienten sorgfältig. Damocles hielt sich für glücklich. Eben noch streckte er die Hand zum Tisch aus, als er über sich ein Schwert, das an einem Pferdehaar befestigt worden war, erblickte. Dieses Schwert war auf Anordnung von Dionysius so aufgehängt worden, dass es über seinem Hals schwebte. Dadurch wurde Damocles ein so großer Schrecken zugefügt, dass er nichts anderes mehr machte als die Augen auf das Schwert zu heften. Schließlich bat er den Tyrannen, dass es erlaubt wäre, wegzugehen. Er sagte: „Du hast mir hinreichend gezeigt, wie beschaffen dein Leben ist. Auf solche Weise will ich nicht reich sein.“

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